#WeRemember
27.1. Gedenktag der Opfer der Nationalsozialisten
Wir trafen uns am Denkmal für die Euthanasieopfer auf dem Gelände der ehemaligen Tötungsanstalt Eglfing-Haar.
Der Behindertenverband Bayern e.V. organisierte am Tag der Opfer des Nationalsozialismus eine Kranzniederlegung am Euthanasiedenkmal auf dem kbo-Klinikgelände. Zu Beginn der Dunkelheit trafen sich die Teilnehmenden in der winterlichen Kälte und erinnerten an an den Massenmord an Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen.
Die Rednerinnen und Redner (in der Reihenfolge ihres Erscheinens) waren:
Patricia Koller vom Behindertenverband Bayern e.V., Kornelia Wagner, Julika Sandt MdL, Sascha Clement, Peter Münster, Franz Podechtl – Geschäftsführer des kbo-Klinikums.
Anwesend waren u.a. Prof. Dr. Peter Brieger – Ärztlicher Direktor des kbo-Klinkums, Mitglieder des Behindertenverband Bayern e.V. und ein Vertreter des ABiD e.V. , Peter Siemsen, sowie Vertreterinnen und Verteter mehrerer Parteien.
Anschließend an die Reden folgte eine Schweigeminute, bei der alle gemeinsam der Ermordeten gedachten und nachdenklich auf die Kerzen schauten, die der Behindertenverband Bayern e.V. auf dem Denkmal im Kreis aufgereiht hatte.
Kamera: Reinhold Roppert
Rede von Patricia Koller:
Der 27.1. ist der Gedenktag aller Opfer des Nationalsozialismus. Die Nazis haben neben den Juden, Sinti und Roma auch Randgruppen verfolgt. Nach den Zwangssterilisationen haben sie massenhaft Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen ermordet. Auch Kinder.
Weitgehend unbemerkt von der Bevölkerung sammelte man Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen ein und ermordete sie massenweise in so genannten „Heilanstalten“, während man nach außen hin den schönen Schein wahrte und eine extra Verwaltung damit beschäftigte, heuchlerische Beileidsschreiben an die Verbliebenen zu verfassen, die gefälschte Todesursachen enthielten.
Wir treffen uns heute bei dem Euthanasiedenkmal auf dem Gelände der ehemaligen „Heilanstalt“ Eglfing-Haar bei München.
WIR gedenken hier der Opfer des Euthanasieprogramms mit unserer Kranzniederlegung in der Gemeinde Haar, wo während der Zeit der NS-Diktatur Menschen systematisch aussortiert und ermordet wurden. Wer nicht arbeitsfähig war, wurde umgebracht.
Die Nazis betrachteten Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen als „Ballastexistenzen“ und „unwertes Leben“.
Der damalige Anstaltsleiter der Psychiatrie, Hermann Pfannmüller, beschützte seine Patienten nicht, sondern unterstützte als überzeugter Nazi leidenschaftlich das Krankenmord-Programm der Regierung.
Die Kranken hofften auf Heilung und vertrauten ihren Ärzten, stattdessen wurden sie als Versuchsobjekte für medizinische Experimente missbraucht und massenweise in den Tod geschickt.
Das NS-Dokumentationszentrum berichtet: Pfannmüller wurde 1949 zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Dabei wurde ihm die dreijährige Internierungs- und Untersuchungshaft angerechnet. Sein Doktortitel blieb ihm erhalten, auch ein Berufsverbot wurde ihm nicht erteilt. Trotz des milden Urteils ging Pfannmüller, der tausende Tote zu verantworten hatte, in Berufung und erreichte 1951 eine Herabsetzung der Strafe auf fünf Jahre. Diese Reststrafe musste Pfannmüller aus „gesundheitlichen Gründen“ nicht mehr verbüßen. Pfannmüller lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1961 als freier Mann.
Vor dem Massenmord an den Juden wurde das Vergasen an den Opfern des „Euthanasie“-Programms getestet. Die Verbrechen der Nazis wurden von ihnen sehr bürokratisch geplant und organisiert.
Die Nationalsozialisten ließen in Europa ca. 300.000 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in dieser Massenmordaktion vernichten.
Von der „Heilanstalt“ Eglfing-Haar aus wurden tausende Menschen in Mordanstalten deportiert oder auch direkt vor Ort durch Giftspritzen oder Aushungern getötet. Hier wurden in den Hungerhäusern nicht arbeitsfähige Menschen durch Nahrung, der man sämtliche Nährstoffe entzogen hatte, so lange ausgehungert bis sie verstarben.
Nach Kriegsende blieben die meisten Täter straffrei und arbeiteten weiter in ihren Berufen.
Eine echte Entnazifizierung fand nicht statt. In vielen Behörden weht auch heute noch ein brauner Wind…
Die in Deutschland bis heute vielfach spürbare Diskriminierung und Geringschätzung Schwerbehinderter und psychisch Kranker basiert auf der Zeit der NS-Diktatur. Man schiebt sie immer noch gerne in Parallelwelten – in Heime, Psychiatrien oder in die Obdachlosigkeit – ab.
Wir dürfen niemals vergessen, was damals geschehen ist und wir müssen äußerst alarmiert sein, wenn die Politik das Sterbenlassen von Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen erwägt, weil sie es ewig versäumt hat, auf die jahrelangen, verzweifelten Hilferufe der kaputtgesparten Pflege zu reagieren, so daß wegen des wachsenden Pflegenotstands nicht mehr allen geholfen werden kann und deshalb allen Ernstes triagiert werden soll.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/haar-bei-muenchen-nationalsozialismus-euthanasie-psychiatrie-1.5516954
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