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Ich bin Mutter von drei Kindern. 2003 wurde mein Sohn Danny geboren. Er kam als ganz normaler Junge zur Welt. Im Folgenden möchte ich von unserer Geschichte erzählen. Mein Sohn war in seiner Kleinkindzeit viel krank. Meiner Meinung nach waren die Gaben von Antibiotika und Impfungen nicht besonders förderlich für seine Entwicklung. Rückentwicklung und eine verzögerte Sprachentwicklung waren vielleicht die Folge. Später verschwand er in seiner eigenen Welt. Sprache und Kommunikation und Blickkontakt waren nicht mehr da. Als Mutter fühlte ich mich bereits hier unter Druck gesetzt, Amtsärzte und das Sozialamt bestimmten unseren Lebensweg. Nach der Frühförderung führte sein Weg bald in den heilpädagogischen Kindergarten, aus dem ich ihn anfangs immer nach 2 Stunden abholte. Hier musste ich auch zum ersten Mal feststellen, dass selbst in dem HPK keine Förderung möglich war. Die Kinder waren teils wirklich schwere Fälle, und seine Förderung rückte, meinem Eindruck nach, völlig in den Hintergrund. Niemand nahm ihn an die Hand. Danny war ein Mitläufer.
Während eines gemeinsamen Kuraufenthaltes versuchte man mir bereits anzudeuten, dass Danny scheinbar Entwicklungsverzögerungen erfahren hatte. Ich kam zum ersten Mal mit dem Begriff Autismus in Kontakt. Heute suche ich nach Erklärungen. Wie konnte das passieren? 2008 diagnostizierte die Autismusambulanz schließlich frühkindlichen Autismus bei meinem nun 5jährigen Sohn. Seitdem bekam ich Hilfe von der Autismusambulanz.
Die Einschulung mit 6 Jahren haben wir um ein Jahr verschieben können, Danny besuchte solang eine normale Gruppe, sodass er die Chance bekam, nachreifen zu können. Man hatte mir eine Sprachheilschule empfohlen, die Autismusambulanz versäumte die weitergehende Bearbeitung, sodass Danny am Ende nur noch eine Förderschule besuchen konnte. Und so wurde Danny 2010 in der Förderschule für Lernbehinderung St. Franziskus eingeschult. Anfangs lief alles sehr gut. Danny fühlte sich wohl. Bis zur 6. Klasse, dann kam die Wende. Durch räumliche Trennung von seinen Freunden entstanden erste Unsicherheiten. Das Jugendamt und die Schulleitung entschieden, dass mein Sohn selbstständig werden muss, und strichen die Schulbegleitung, um die wir so lang gekämpft haben. Ohne die Unterstützung war Danny hilflos und wurde automatisch zum Ziel. Die Folgen waren Mobbing seitens der Mitschüler, aber auch von Erwachsenen und Pädagogen. Ich habe Beteiligte angesprochen, mit der Schulleitung und weitere Stellen – nichts ist passiert. Dabei haben Schulleitung, Jugendamt als auch Autismusambulanz Termine ständig verschleppen lassen. Was Danny gebraucht hat, wurde nicht gesehen. Letztendlich verweigerte mein Sohn den Schulbesuch. Er fühlte sich einfach nicht angenommen. Ich musste nach einer neuen Schule suchen. Weder das Schulverwaltungsamt, noch das Lasub, das Jugendamt oder die Autismusambluanz halfen mir dabei. 2007 kam er wieder in eine Förderschule Am Leutewitzer Park. Mit einer langen Probezeit. Die Schulbegleitung lief über die Autismusambulanz ca. ein halbes Jahr bis die Begleitung ihre Aufgabe nicht mehr zuverlässig abdecken konnte. Danach war keine Begleitung mehr möglich, es konnte kein geeignetes Personal gefunden werden. Dadurch war nur noch eine stundenweise Beschulung möglich. An dieser Schule erfuhr Danny keinerlei soziale Interaktion. Keine Integration in AGs, keine Möglichkeit auf Förderung via Ganztagsschule. Auch das Mobbing kam zurück. Im Mai 2018 musste ich meinen Sohn von der Schule nehmen. Danach wurde alles schwierig. Das Jugendamt reagierte nur noch mit Sanktionen, Drohungen und Kindeswohlentzug. Eigentlich hat das Jugendamt doch zum Wohle des Kindes zu arbeiten. Herr Treptke, der Psychologe von Danny, engagierte sich und erkundigte sich in der Laborschule Dresden (freie Schule) nach einem Schulplatz für Danny. Ich besuchte mit Danny den Tag der offenen Tür und stellte insgesamt zwei Quereinstiegsanträge für 2019/20 und für 2020/21. Diese Anträge sind nicht bearbeitet worden. Stattdessen wurde uns ein Umzug ans Herz gelegt, um in der Nähe einer entsprechenden Schule zu sein. Im Nachhinein betrachtet liefen vermutlich Gespräche mit anderen Schulen, der Lasub, dem Schulverwaltungsamt oder dem Jugendamt im Hintergrund. Ich verstehe einfach nicht, wieso die Schule gegen ihre eigenen Leitlinien verstößt und meinem Kind nicht die Chance auf weiteres Lernen gibt. Das Dilemma ist, dass eine normale Schule für Danny nicht in Frage kommt, integrative Schulen nur in großen Klassen vorhanden sind und sonst nur Förderschulen bestehen.

Mein Sohn hatte nun bereits zwei Förderschulen besucht, und war als Förderschüler mit L-Status (Lernförderkind) eingestuft worden. Das bedeutet, dass sein Status jedes Jahr neu von den Schulen geprüft werden muss. Sodass mein Sohn die Chance hätte haben können, einen Inklusivschulplatz zu erhalten, bei einem IQ von 132 in Teilbereichen. Warum hat an dieser Stelle niemand über Schulen mit Inklusionsansatz nachgedacht? Eine Förderschule kam für uns mittlerweile nicht mehr in Frage.
Ich versuchte mich an mehrere Beratungsstellen zu wenden, aber keine konnte mir weiterhelfen. Teilweise offenbarten sie mir, dass ihnen in manchen Belangen die Hände gebunden seien. Verschiedene Träger gaben uns an die Hand unterschiedlichster Helfer. Schnell kristallisierte sich hier aber heraus, dass niemand Fachwissen zur Autismus-Thematik mitbrachte. Das war insofern problematisch, als dass in der Autismusbetreuung möglichst individuell und passgenau gearbeitet werden muss. Abermals wies uns das Jugendamt Personal zu, dass einfach nicht ausreichend geschult war, um zuverlässig Danny Bedürfnisse abzudecken. Man machte mich darauf aufmerksam, dass wir das zugewiesene Personal hinzunehmen haben. Kein Wort verlor man dabei über das Wunsch- und Wahlrecht oder das persönliche Budget für ein selbstbestimmtes Leben. Im Alltag konnte ich nicht erkennen, an welchen Stellen amtliche Hilfe für Danny hatte stattfinden sollen. Niemand schien Wert auf die Zusammenführung von Mutter, Kind und Fachpersonal zu legen. Jede Hilfsstelle schien ihre eigene Sprache zu sprechen.
Ein ganzheitliches und effektives Lösungssystem? Fehlanzeige. Seit Mai 2018 ist mein Sohn mit ruhender Schulpflicht nun knapp drei Jahre unbeschult zu Hause. Online Schulen kamen nicht in Frage, da mein Sohn mit Gleichaltrigen in Kontakt treten will. Für das BVJ hatte er noch nicht die notwendige Reife, alle angefragten Schulen hatten keinen Platz. Freie Schulen wollte das Jugendamt finanziell nicht tragen. Für mich unglaublich. Zum Schuljahresbeginn 19/20 bekam Danny einen Platz in der Aktiven Schule Dresden. Amtsbedingt ging regelmäßig zu viel Zeit ins Land, egal was ich gewinnen konnte, es zerrann mir in den Fingern. Letztendlich musste Danny auch diese Schule verlassen. Angeblich entsprach sein Fördergutachten doch nicht den Fördermöglichkeiten der Schule. Im Widerspruch dazu steht, dass alle notwenigen Belege und Dokumente der Schule vorlagen. Ich kann bis heute nicht begreifen, warum man sich für diese Lösung entschied. Danny erhielt ein Abgangszeugnis der 9. Klasse, womit seine Schulpflicht abgelöst wäre. Das konnte ich nicht geschehen lassen. Mein Sohn hatte schließlich seit der 8. Klasse keinen wirklichen Unterricht mehr erlebt. Ich musste klagen, und erwirkte damit, dass er nun statt dem Abgangszeugnis ein Jahreszeugnis erhielt. Seitdem ist Stillstand. 2019 stellte ich einen Quereinstiegsantrag an die Laborschule. Man wolle schauen, ob eine Eingliederung für Danny möglich sei, nach Wochen der Schweigsamkeit war die Schule plötzlich doch voll. Schuld ist keiner. Während der gesamten Zeit bat ich das Jugendamt mehrfach um Hilfe. Wieder bekam ich keinen Zugang zu Informationen. Seither erarbeitete ich mir erneut das Wissen über Wunsch- und Wahlrecht, sowie persönliche Budgetierung selbst an. Alle entsprechenden Anträge dazu lehnte das Jugendamt bis heute ab. Ich bin alle Wege gegangen, um für Danny ein normales Leben zu ermöglichen. Damit er ganz normal Freundschaften schließen kann. Aber keine einzige Beratungsstelle konnte am Ende helfen. Ich kämpfe bis heute allein für die Belange meines Kindes. Ich habe den Eindruck, dass wir immer weniger wahr- bzw. ernstgenommen werden. Inzwischen bin ich bei Ämtern und Behörden verschrien, weil ich am Recht auf Bildung für meinen Sohn festhalte. Ist das so etwas Ungewöhnliches? Selbst die Beratungsstellen sagen, hinter vorgehaltener Hand, dass sie das Vorgehen von Ämtern und Behörden unrichtig und am Klienten vorbei empfinden. Der momentane Stand ist nun, dass wir ein persönliches Budget beantragt haben. Im September fand ich eine Freizeitbegleitung für Danny. Trotzdem bleibt unklar, ob der Abschlag für die Zahlung genehmigt wird. Ich suche weiterhin eine Schulbegleitung für Danny, ebenfalls finanziert über das persönliche Budget. Die Genehmigung steht auf der Kippe, weil wir noch keinen dazugehörigen Schulplatz gefunden haben. Danny ist mittlerweile 17 Jahre alt, und uns rennt die Zeit davon.
Das Jugendamt fühlt sich nur für Belange in allen Lebenslagen bis 18 Jahre zuständig. Was danach kommt, vermutet wenig Grund zur Freude. Nach mehreren Anwälten, die ich als letzte Unterstützung suchte, ist die 3. Anwältin sehr bemüht. Ein kleiner Lichtblick. Ich zweifle mittlerweile jedoch am Gesamtsystem. Man könnte meinen, es sei in diesem reichen Land doch alles vorhanden: Unterstützung durch Jugendämter, Schulbegleitung, Fahrdienst zur Schule, soziale Einrichtungen, integrative und inklusive Konzepte. Aber nur, solange man dem vorgepferchten Weg der Ämter folgt. Als Elternteil ist man selbst doch Experte, wenn es um das eigene Kind geht. Trotzdem meinen Ämter und Behörden nach Aktenlage das Kind besser zu kennen. Sie sind es auch, die Ideen entwickeln und festlegen, was aus meinem Sohn werden soll. Auf eigene Ideen für Dannys Zukunft und Verweis auf Wunsch- und Wahlrecht hat man uns bisher nur noch mehr Steine in den Weg gelegt. Im selben Zusammenhang macht man nicht einmal vor dem Sorgerecht halt. In all der Zeit bekommt Danny immer mehr von den Konflikten mit. Er versteht zunehmend die Welt nicht mehr und schimpft immer mehr über den Staat. Wie soll ich ihm erklären, warum alle in unserer reichen Bildungslandschaft zur Schule dürfen, nur er nicht? Und selbst eine Landeshauptstadt scheinbar kein Angebot bieten kann? Meine Forderung ist deswegen an Ämter und Behörden: Arbeiten Sie mit und im Interesse der Klienten. Es konnte sein, dass eine andere Strategie als Ihre durchaus Sinn stiftet und gelingen kann. Seien Sie offen für alternative Haltungen. Träger der Jugendhilfe: Autismus existiert häufiger als man denkt. Bilden Sie sich weiter. Seien Sie sensibel für die leisen Töne Ihrer Schützlinge. Sie sollten auch gehört werden und sind oft gewichtiger, als grobe, laute Aussetzer. Landesamt für Schule und Bildung: Machen Sie Ihre Aufgaben. Sie sichern und verbessern die Qualität schulischer Arbeit gemeinsam mit den Schulen! Das beinhaltet auch Kinder, die vom Regelfall abweichen, integrativ oder inklusiv zu beschulen sowie die Fachaufsicht über Bildung und Erziehung in den Schulen ernst zu nehmen.
Dann entständen solche Missstände gar nicht erst. Und wenn der Dienstaufsicht über Schulleitung, und Lehrerschaft einschließlich der pädagogischen Mitarbeiterinnen und des Betreuungspersonals nachgekommen wird, müssten wir nicht mehr von Mobbing von Kindern durch Pädagogen und Lehrer sprechen. Es ist normal verschieden zu sein.
Die Aktuelle Lage zeigt sich wie folgt:
Ein 4 stündiger Mediationstermin zwischen Lasub, Laborschule und uns, brachte kein Ergebnis. Danny wurde zwar gehört, aber zu Kompromissen ihm gegenüber war man nicht bereit. Im Gegenteil: Im November wurde uns von der Lasub ein Termin in Aussicht gestellt, in dem es ausschließlich um ein Berufsvorbereitendes Jahr (BVJ) gehen soll. Ein Hohn, denn es ist schriftlich belegt, dass Danny für ein BVJ nicht geeignet ist und eine Schule besuchen soll, damit er die persönliche Reife erlangt.
Hinzu kommt, dass das Jugendamt den besprochenen und genehmigten Abschlag für das Persönliche Budget nicht gezahlt hat (Freizeitassistenz). Die Folge: Absprung aller selbst gesuchten Hilfen und Assistenzen und für Danny erneut Kontaktabbrüche, die zu verhindern gewesen wären.
Webschulen hatten Klassenräume zu Verfügung. Diese mussten allerdings geschlossen werden. Es liegt nahe, dass dies strukturell gewollt ist, denn an Schülern für diese Beschulungsform mangelt es nicht.

Ihre Heike Eibner

Wenn man ein Kind mit Autismus hat, stößt man als Elternteil auf eine Informationswüste. Die Hoffnung auf zentrale Informationsstellen wird von der Realität schnell zerschlagen. Unzählige Ansprechpartner später, eignete ich mir enttäuscht selbst das Wissen an, das ich als Mutter so dringend benötigte, um meinem Sohn helfen zu können. Ich konnte noch nicht erkennen, welches Problem das deutsche Hilfsnetzwerk eigentlich hatte, und wie sehr die Institutionen sich gegenseitig aus komplexen Fällen heraushalten, oder hin und her schieben. Vor allem als Mutter mit ALG2 Bezug hatte ich den Eindruck, nicht ernstgenommen zu werden. Hilfsmaßnahmen waren in ihrer Umsetzung teilweise fragwürdig, und ich war einfach nur noch überlastet, überfordert und enttäuscht. Als Elternteil geht man da mit einer anderen Erwartungshaltung herein.

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2 Kommentare

  1. Liebe Heike , ich denke dass es einigen so geht und auch ich habe vergleichbare Erfahrungen sammeln können . Dadurch haben wir eine Ebene von der aus wir etwas beginnen können was unseren Kindern das ermöglicht was ihnen zusteht . Nur unabhängig von der Bevormundung derzeitiger Strukturen .schaffen wir das .
    Andreas L.

  2. Ich danke Ihnen für Ihren Bericht und Ihre Stärke. Ich arbeite als Kindergärtnerin und bin interessiert an Erfahrungen mit Ämtern. Daher sind Ihre Formulierungen und Forderungen wichtig für mich.
    Ihrer Familie alles Gute und viel Erfolg,
    Karin Kurscheid

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