Seit dem 01.01.2008 gibt es das Recht auf das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderungen. So können beispielsweise Betreuungsleistungen der Eingliederungshilfe oder Assistenz Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in ein sog. „persönliches Budget“ umwandelt werden. Dies soll die Selbstbestimmung und Selbsthilfe von Menschen mit Beeinträchtigung stärken. D.h man bekommt als Hilfebedürftiger Mensch Geld, und kann sich damit direkt die Hilfe einkaufen, die er für seine jeweilige Lebenssituation benötigt. Für uns Autisten gerade zu ideal. Sind viele Einrichtungen oder Pflegedienste überhaupt nicht auf uns spezialisiert, können wir mit diesem Budget selbst wählen welche Hilfe gut für uns ist und welche Leistungsform wir uns dafür einkaufen möchten. Doch längst ist das Recht auf persönliches Budget alles andere als auf den Vormarsch. Die wenigsten Behörden weisen ausdrücklich darauf hin, immerhin bedeutete dies bürokratischen Aufwand und unkontrollierten Machtverlust über Menschen mit Behinderung. Üblicherweise erhält ein Mensch mit Behinderung nur allgemeine Leistungen aus dem jeweiligen Leistungskatalog. Von Individualität oder passgenauer Zugeschnittenheit auf den beeinträchtigten Menschen weit entfernt.
Haben alle behinderten Menschen die gleichen Rechte und Chancen auf Teilhabe?
Menschen mit Körperbehinderung denen man ihre Behinderung deutlich ansieht, haben es in der Regel einfacher, ihre Rechte und wünsche geltend zu machen und an freie Leistungen zu kommen. Hingehen aber haben Menschen mit kognitiven, geistigen oder psychischen Behinderungen, worin sich auch die ASS (Autismus-Spektrum-Störung) befindet, mitunter viel größere Hürden zu stemmen. Ihnen sieht man ihre Beeinträchtigung oft nicht direkt an – oder aber, sie sind offensichtlich so beeinträchtigt, dass man ihnen gar das Recht auf Selbstbestimmung abzusprechen versucht. Wie oft habe ich formelle Dokumente unterzeichnen müssen, in dem nicht ich als Teilnehmerin, Klientin, Förderbereichsbeschäftigte oder Befragte der Unterschrift aufgefordert war, sondern in aller Regel mein gesetzlicher Vertreter oder Eltern. Es wird bei Menschen mit kognitiven Behinderungen überwiegend von der Unmündigkeit des Menschen ausgegangen. Haben aber nicht auch genau diese Menschen die gleichen Rechte und Chancen auf selbstbestimmte Teilhabe, wie andere auch? Auch schwerst mehrfachbehinderte Menschen haben Wünsche, Vorstellungen wie sie leben möchten und auch davon, wie sie es nicht möchten. Viel zu oft aber wird genau da weggehört. Weggesehen. Kurzum: Über den Kopf des Menschen hinweg entschieden. Dabei hat genau die Einführung des persönlichen Budgets zum Ziel gehabt, Menschen weiter in die Mitte unserer Gesellschaft zu inkludieren. Denn auch für höchst hilfebedürftige Menschen gibt es das persönliche Budget als Assistenzform der persönlichen 24h Assistenz. Pflege, Betreuung, Unterstützung, Beaufsichtigung – rund um die Uhr. Wann ich es will, wo ich es will und wie ich es will. Diese Menschen haben also genauso ein Anrecht in ihrer eigenen Wohnung zu leben und Unterstützung in allen Bereichen zu erhalten, die notwendig sind um ihre behinderungsbedingten Barrieren abzuwenden oder zu mildern. Auch sieht das persönliche Budget Geld für eine externe Budgetverwaltung vor, sodass selbst diese Personengruppe Unterstützung darin erhalten kann, den gesamten Verwaltungsakt der mit dem PB verbunden ist in vertrauensvolle Hände und an gut organisierte Institutionen abzugeben. Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf müssen also nicht mehr in Einrichtungen verweilen und täglich zu 20 Uhr ins Bett gehen, weil das Heimkonzept dies so vorschreibt.
Was muss getan werden?
Laut der UN-Behindertenrechtskonvention müssen alle Menschen mit Hilfebedarf Zugang zu bedarfsdeckenden, unkomplizierten Hilfen haben. Seit Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 01.01.2017, ist es Menschen (zumindest auf Papier) nun möglich, ihren Bedarf an den für sie zuständigen Stellen wie Eingliederungshilfe, Sozialamt, Renten, Pflege oder Krankenkasse mitzuteilen und Hilfen „wie aus einer Hand“ also u.a auch trägerübergreifend in Anspruch zu nehmen. Helfen können die mittlerweile bundesweit eingerichteten unabhängigen Teilhabeberatungen kurz: EUTB. (mehr Infos dazu HIER.) Dort beraten Mitarbeiter im peer Consulting Prinzip andere Menschen mit Behinderungen und weisen sie an entspechende Stellen weiter.
Was es braucht sind vor allem geschulte Mitarbeiter. Welche die sich mit den verschiedenen Behinderungsarten auskennen oder zumindest ansatzweise vertraut sind.
Es braucht vor allem empathische Mitarbeiter für Leichte Sprache – in jeder Behörde – und die Bereitschaft wirklich für eine inklusivere Gesellschaft einzustehen.
Damit jeder teilhaben kann. Und niemand mehr im Heim sitzen muss.
Wir sagen:
Macht euer Recht auf Teilhabe geltend!
Auch Menschen aus dem Autismus-Spektrum haben Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe. Es genügt dabei, dass die Behinderung festgestellt wurde. In einem Hilfebedarfsgespräch wird der individuelle Bedarf des Menschen sowie seine Teilhabeziele definiert.
Autismus fällt nicht zwangsläufig unter dem Behinderungsbegriff: Seelische oder kognitive Behinderung. Vielmehr ist Autismus einer Mehrfachbehinderung gleichzusetzen, da auch Wahrnehmungsstörungen der auditiven und visuellen Wahrnehmung anderer körperlich bedingter Behinderungen gleich sind.
Mehr über die Zuordnung Autistischer Störungen im Sozialhilfegesetz
Link -> https://www.autismus.de/fileadmin/RECHT_UND_GESELLSCHAFT/Die_sozialrechtliche_Zuordnung_autistischer_StoerungenMai2012.pdf
Svenja Liesch